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Wladimir, uralte Hauptstadt Russlands

Wladimir ist die altertümlichste Hauptstadt Russlands und eine der am meisten besuchten Städte auf der berühmten Touristenroute Goldener Ring. Seine Kirchen aus weißem Stein mit goldenen, glänzenden Kuppeln sind Teil des Museumsreservats, das seit 1992 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Erhaltene Meisterwerke der russischen Baukunst aus der Zeit vor der Mongoleninvasion, Fresken von Andrej Rubljow, Mariä-Entschlafens-Kathedrale und Demetriuskathedrale, (russisch: Dmitrijewski), das Mariä-Geburt-Kloster und das Fürstinnen-Kloster ziehen nach Wladimir, Tausende von Touristen an. Außerdem sollte man das hiesige historische Museum, das Museum für Lebkuchen und den malerischen Patriarchengarten besuchen.

Die ersten Menschen erschienen an der Stelle des heutigen Wladimir vor dreißigtausend Jahren. 1956 wurde am Stadtrand von Wladimir Sungir, ein Lagerplatz der Cro-Magnon-Menschen, entdeckt. Zu seinem Symbol wurde ein winziges, aus Mammutstoßzahn geschnitztes Amulett, das sogenannte Sungir-Pferdchen. Seit dem 9. Jahrhundert besiedelten Slawen diese Landstriche. Die Siedlung am Ufer des Flusses Kljasma wuchs, dank des Handels mit Wolgabulgarien, Nowgorod und Ladoga. Die Stadt an dieser Stelle wurde im Jahre 990 vom Fürsten Wladimir gegründet, der die Rus christianisierte. 1108 bekam die Stadt eine Festung aus Holz und einen Erdwall um sich herum. Der Gründer Moskaus, Fürst Juri Dolgoruki, ließ in Wladimir die ersten Häuser aus weißem Stein bauen. Sein Sohn Andrej Bogoljubski kehrte nach Wladimir zurück, nachdem er Kiew erobert hatte, um hier als Fürst zu herrschen.

Das wichtigste Bauprojekt des Fürsten Andrej Bogoljubski war die Mariä-Entschlafens-Kathedrale, die zum Vorbild für die gleichnamige Kathedrale des Moskauer Kremls wurde. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts wurden hier Fürsten von Wladimir und Moskau gekrönt. 1164 ließ Fürst Andrej auch das Goldene Tor errichten; das ist der einzige erhaltene Teil der Wehrmauer der Stadt. Aus derselben Zeit stammt auch der Koslow-Wall, ein Fragment der Festungsmauer aus dem 12. Jahrhundert. Im Jahre 1191 wurde hier mit der Erbauung des Mariä-Geburt-Klosters angefangen, welches oft «Wladimirs Kreml» genannt wird. 1197 wurde die Demetriuskathedrale geweiht. Dank der aufwändigen Fassaden-Schnitzereien war sie eine der schönsten Kirchen Russlands.

Im Jahre 1299 ging der Status der Metropoliten-Residenz der Russisch-Orthodoxen Kirche, den früher Kiew gehörte, an Wladimir über, das Mariä-Geburt-Kloster wurde zum Hauptkloster Russlands. 1328 wurde Moskau zur Hauptstadt, und das wertvollste Heiligtum der Wladimirer Mariä-Entschlafens-Kathedrale, die Ikone der Gottesmutter von Wladimir, wurde nach Moskau überführt. Heute kann man in der Kathedrale eine Kopie dieser Ikone sehen, die als wundertätig verehrt wird. Im frühen 15. Jahrhundert hat der berühmteste russische Ikonenmaler Andrej Rubljow die Wände der Mariä-Entschlafens-Kathedrale mit Fresken bemalt.

Über das Leben der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert kann man sich in der Ausstellung «Das alte Wladimir», die im ehemaligen Wasserturm untergebracht ist informieren. Hier wurden Interieure dieser Epoche rekonstruiert: ein Wohnzimmer des wohlhabenden Kleinbürgers, ein Wirtshaus und ein Polizeirevier. Das obere Stockwerk des Turmes stellt eine der besten Aussichtsplattformen von Wladimir dar. Eine einzigartige Sammlung von Löffeln aller Formen und Bestimmungen ist im Löffel-Museum zu sehen. Hier sind Löffel ausgestellt, die am Hof der Romanows und bei den Festivitäten anlässlich der Krönung der Windsors verwendet wurden, sowie Tafelbesteck aus dem Weißen Haus der USA.

Ein Löffel ist auch für die berühmte Wladimirer Kirschmarmelade unentbehrlich. Die Kirsche ist ein Markenzeichen von Wladimir. Der Legende nach hatte Fürst Andrej Bogoljubski, Kirschbäume aus Kiew hierher gebracht. Der anderen Legende nach waren es Mönche vom Berg Athos, die die Kirsche nach Wladimir gebracht hatten. So oder so, die lokale Tradition der Kirschzucht ist mindestens 400 Jahre alt! Die Erntezeit Ende Juli wird hier immer mit dem Fest «Wischnewy spas», («wischnja» bedeutet «Kirsche»), gefeiert. Auch heute kann man am zweiten Julisonntag auf dem Markt im Patriarchengarten, Pasteten mit Kirsche, Kirschensaft, Marmelade, Eis, Tee mit Kirschblättern kosten und sich aus den Kirschkernen wahrsagen lassen. 2015 wurde auf dem Spasski-Hügel, (russisch: Spasski cholm), ein Denkmal für Kirsche aufgestellt.

Noch ein leckeres Markenzeichen von Wladimir ist Lebkuchen. In der Stadt gibt es ein Museum für Lebkuchen. Dort kann man bedruckte, geschnitzte, geformte Lebkuchen in verschiedensten Formen sehen. Hier werden Verkostungen organisiert, sowie Meisterkurse in der Lebkuchenbemalung angeboten. Dieses Honigbrot aus Roggenmehl wurde in der Rus schon im 9. Jahrhundert gebacken. Mit der Zeit hat jede Region ihre eigenen Rezepte erfunden, dem Teig wurden Kräuter und orientalische Gewürze beigemischt. Sehr beliebt waren bedruckte Lebkuchen aus der Stadt Pokrow, (russisch: pokrowskije prjaniki), die ohne Eier und mit viel Nelken, Zimt und Kardamom zubereitet werden. Die klassische Füllung ist gekochte gezuckerte Kondensmilch mit Walnüssen.

Man sollte in Wladimir auch Gerichte der russischen Küche probieren: Fischsuppe mit Lachs und Zander, gefüllten Hecht, Speck nach russischer Art, Hering mit Salzkartoffeln, Kaninchenleber mit roten Johannisbeeren, Suppe aus Waldpilzen und natürlich traditionelle, russische Plinsen: mit Kaviar, Lachs oder saurer Sahne.

Obwohl Wladimir eine Provinzstadt ist, empfängt es alle zwei Jahre im April das Allrussische Tanejew-Musikfestival. Das Festival wurde nach dem Sohn der Stadt Wladimir benannt, dem Komponisten Sergej Tanejew, der im späten 19. Jahrhundert lebte und wirkte. Während dieses Festivals treten Stars der klassischen Musik aus der ganzen Welt auf lokalen Bühnen auf. Seit 2010 wird in der Stadt das Allrussische historische Festival der mittelalterlichen Kultur, «Wladimirski klinok», (deutsch: Wladimirer Klinge), ausgetragen. Drei Tage lang wird im Park Sagorodny der Alltag des 12. bis 16. Jahrhunderts rekonstruiert, Kampfturniere und ein Trachtenwettbewerb organisiert. Die Gäste können Bogenschießen, mittelalterliche Tänze, Holzschnitzerei lernen, eine volkstümliche Puppe anfertigen, nach alten Rezepten zubereitete Gerichte kosten.

Das kleine, gemütliche Wladimir, das seine uralten Meisterwerke hütet, hat alles, um Gäste anziehen zu können: moderne Museen, blühende Kirschgärten und zahlreiche Aussichtplattformen mit wunderschönen Aussichten auf alte Kirchen und die russische Natur.

Wie zu erreichen

Wladimir liegt 210 km von Moskau entfernt. Mit dem Zug braucht man für die Fahrt 1 Stunde und 40 Minuten. Durch die Stadt verläuft eine Strecke der Transsibirischen Eisenbahn, die Wladimir mit anderen Städten des Landes verbindet.

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