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Kaliningrad: Bernsteinhauptstadt der Welt

Kaliningrad, benachbart mit Polen und Litauen, hat keine gemeinsame Grenze mit Russland. Die Stadt Kaliningrad ist die ehemalige Hauptstadt des Deutschen Ordens und des Preußischen Königreichs. Mit ihren lutherischen Kirchen und Festungen aus roten Backsteinen hat sie trotz der Zerstörungen im 2. Weltkrieg ihren europäischen Charme behalten. Heute kommt man hierher um die bizarre Mischung aus den verbliebenen deutschen Ziegeldächern und den sowjetischen Chruschtschowkas (nach Nikita Chruschtschow benannter Wohnhaustyp) zu betrachten, die Ruinen steinalter Stadttore zu fotografieren und einen Stint zu essen. Und natürlich kommt man auch deshalb hierher, um alles über den hiesigen Bernstein zu erfahren. Die Stadt und das Gebiet Kaliningrad sind ja als das wichtigste Zentrum der Gewinnung dieses prähistorischen, honiggelben Harzes weltweit bekannt.

Die Stadt bekam erst vor kurzem den Namen Kaliningrad. 1946 wurde Königsberg nach dem Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Michail Kalinin, umbenannt obwohl dieser nie in dieser Stadt war. Königsberg war hingegen der Name einer Burg aus dem Jahre 1255. Diese wurde anstatt eines preußischen Dorfes namens Twangste errichtet, das von der Armee des Deutschen Ordens niedergebrannt worden war. Allmählich begannen die Deutschen die Bereiche nahe der Burgmauer zu besiedeln. Zunächst entstand am Ufer des Flusses Pregel die Altstadt, die 1286 zu einer Stadt heranwuchs. 1300 ernannte man Löbenicht, eine Siedlung der Bauern, Bierbrauer und Handwerker, zur Stadt. 1327 bekam der kaufmännische Kneiphof, der sich auf der heutigen Kant-Insel befand, den Status einer Stadt. Offiziell schlossen sich alle diese Siedlungen am 13. Juli 1724 zusammen. Man begann unter Königsberg die gesamte Stadt, und nicht nur die Burg, zu verstehen.

Die Juditter Kirche (heute Nikolaikirche) gilt als das älteste Gebäude in Königsberg-Kaliningrad. Sie wurde im Stil der frühgermanischen Gotik Ende des 13.Jahrhunderts errichtet. Im ersten Viertel des 14.Jahrhunderts begann man hier den Dom zu bauen, der 1380 eröffnet wurde. Heute gilt der Dom mit dem Grab von Immanuel Kant als das wichtigste Wahrzeichen von Kaliningrad. Der große Philosoph wurde 1724 in Königsberg geboren und verbrachte hier sein ganzes Leben.

Im 14.Jahrhundert begann man Klappbrücken mit Türmen und mit eisenbeschlagenen Eichentoren zwischen den Stadtbezirken zu errichten. Die Honigbrücke spannte sich zwischen den Inseln Lomse und Kneiphof. Eine Legende besagt, dass die Brücke so benannt wurde, weil der Bau mit Honig bezahlt wurde. Laut einer anderen Version hat der Name eine gemeinsame Wurzel mit dem Wort «Hohn». Die beiden Städtchen standen im ständigen Wettstreit, deshalb errichteten die Bewohner von Kneiphof diese Brücke, um nicht mittels der hohen Brücke nach Lomse zu kommen, die von den Bewohnern der Altstadt errichtet wurde. Als Antwort darauf brachte man eine stündlich schlagende Uhr am Rathausturm an, aus der anstelle eines Kuckucks ein Kopf mit Bart zum Vorschein kam, der die Zunge Richtung Kneiphof herausstreckte. Die sieben Brücken von Königsberg gingen in die Geschichte der Wissenschaft ein. Lange Zeit konnte niemand die Frage beantworten, ob man alle Brücken abgehen kann, wenn man jede nur einmal benutzt. 1736 bewies Professor der Universität von Königsberg Leonhard Euler, dass es unmöglich ist, wobei er die Grundlagen der mathematischen Graphentheorie entwickelte.

1525 wurde der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens Albrecht von Hohenzollern zum ersten preußischen Herzog. Er ernannte Königsberg für fast ein Jahrhundert zur Hauptstadt des Herzogtums. Er gründete eine der ältesten deutschen Universitäten, die später zu seinen Ehren Albertina benannt wurde. Diese Universität war im 17.Jahrhundert eine der angesehensten in Europa. Das Universitätsgebäude, das seit 1569 auf der Insel in der Nähe vom Dom stand, wurde im August 1944 von der britischen Luftwaffe zerstört.

1712 kam der russische Kaiser Peter I. zum ersten Mal in diese Stadt. Einige Jahre später erhielt er das Bernsteinzimmer als Geschenk von König Friedrich Wilhelm I. Dieses Zimmer wurde im 2. Weltkrieg aus dem Katharinenpalast in der Nähe von St. Petersburg von den Deutschen abtransportiert. Zum letzten Mal wurde dieses Kunstwerk in Kaliningrad gesehen. Während des Siebenjährigen Krieges marschierte im Jahre 1758 die russische Armee nach Königsberg ein. Aber bereits 1762 unterzeichnete Kaiser Peter III., der soeben den Thron bestiegen hatte, einen Friedensvertrag mit Friedrich II. und gab ihm die Ländereien zurück. 1871 wurde Ostpreußen Teil des von Bismarck vereinten Deutschen Reichs.

Zur Jahrhundertwende ins 20.Jahrhundert wuchs die Stadt schnell und sprengte bald den Rahmen der Befestigungsanlagen. Wohlhabende Stadtbewohner bevorzugten Villen außerhalb der Stadtmauern. So entstanden ganze Viertel im modernistischen Stil: Amalienau, Maraunenhof und Ratshof. Eine Ausstellung des interaktiven Museums «Friedländer Tor» widmet sich der Geschichte der Stadt. In einem der historischen Türme befindet sich das einzige Bernsteinmuseum Russlands. Südlich von der Kant-Insel kann man das moderne Viertel namens «Fischdorf» mit einem Fachwerkhäuserkomplex, Leuchtturm und Touristischen Zentrum besuchen.

Der 2. Weltkrieg war ein Meilenstein in der Geschichte der Stadt. Im August 1944 versetzte die Britische Luftwaffe Königsberg einen schweren Schlag, bei dem ein wesentlicher Teil der Bauten zerstört wurden. Am 9. April 1945 kapitulierte die Stadt nach einem viertägigen Sturmangriff. Der Bunker des Königsberger Kommandanten General Otto Lasch, der in ein Museum umgewandelt wurde, erinnert an die Geschehnisse jener Tage. Laut Entscheidung der Potsdamer Konferenz ging der Norden Ostpreußens an die UdSSR.

Die Sowjetische Periode trug nicht dazu bei, dass die historischen Bauwerke und Kirchen erhalten wurden. Aber trotzdem gelang es Königsberg (Kaliningrad) sein Gesicht zu bewahren. Unter anderem findet man hier einige interessante Denkmäler. Die Skulptur des berühmtesten Stadtbewohners Immanuel Kant steht im Park bei der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität. Es ist eine Kopie des Monuments, das Anfang des 19.Jahrhunderts mit dem Geld einer weiten Verwandten der Philosophen, Gräfin Dönhoff, angefertigt wurde. Ein ewiges Feuer brennt bei dem Denkmal der 1200 Gardisten, die am Sturmangriff von Königsberg teilnahmen. Das ungewöhnlichste Denkmal steht im Zentralen Park und ist Baron Münchhausen gewidmet, der einst durch Königsberg reiste. Das Monument stellt die Silhouette des Barons dar, wie er auf einer Kanonenkugel reitet. Am Ufer des Pregels, beim Museum des Weltozeans, erhebt sich das Denkmal der Pioniere des Meeresfischfangs und der verstorbenen Fischer.

Fischfang hat in dieser Region eine lange Tradition, deshalb muss man in Kaliningrad unbedingt einen Stint kosten. Im Februar veranstaltet man sogar in Swetlogorsk ein Stintfest — ein Picknick im Freien mit Verkostung und Unterhaltungsprogramm. Auf dem Territorium des Museums des Weltozeans gibt es Anfang April einen Heringstag mit einem Jahrmarkt und Fischmarkt. Von den Fischgerichten ist auch ein Kurischer Salat aus gekochtem Zander, Lachs oder Kabeljau, Salzgurken und Kartoffeln beliebt. Aber das bekannteste hiesige Gericht sind die Königsberger Klopse. Das sind gekochte Fleischklößchen aus Kalb- oder Schweinefleisch. Traditionell werden sie mit einer weißen Sahnesoße mit Kapern und einer Beilage aus marinierten roten Rüben und Kartoffelpüree serviert.

Recht interessant ist das Fest der langen Wurst, das man in Königsberg ab dem 16. Jahrhundert am Neujahrstag feierte. An diesem Tag fabrizierten alle Fleischer der Stadt gemeinsam eine fast 30m lange Wurst, die durch die Stadt getragen und schließlich den Stadtbewohnern übergeben wurde. Im modernen Kaliningrad gibt es eine andere wunderbare Tradition: Ende August versammeln sich über 50 Tausend Gäste auf der Kant-Insel für das Stadtpicknick namens Street Food Weekend. Außer gutem Essen gibt es hier Konzerte, Abenteuerspiele und andere Belustigungen.

Neben den gastronomischen werden in Kaliningrad viele kulturelle Ereignisse veranstaltet. Im April findet das internationale Musikfestival «Bernsteinkette» statt. Im August gibt es ein Festival «Kaliningrad City Jazz» unter freiem Himmel. Von Juni bis Oktober gibt es das Theaterfest «Baltische Spielzeiten». Seit 10 Jahren versammeln sich die Touristen und Stadtbewohner Ende Juli für das Kaup-Festival, bei dem das Alltagsleben des 9.-11.Jahrhunderts von engagierten Freiwilligen nachgestellt wird. Während des Festivals kann man sich im Schmieden, Töpfern, Zimmern oder Bogenschießen versuchen. Anfang September veranstaltet das Museum des Weltozeans eine «Wasserversammlung»: einer Parade mit historischen Schiffen und eine Ruderregatta.

Ein wichtiges Ereignis für Kaliningrad ist die Fußballweltmeisterschaft 2018. Als Logo dafür wählte man in dieser Stadt eine Figur des Fußballspielers, die so aussieht als wäre sie mit Wasser gezeichnet worden. Dieser Aqua-Mann ist ein Symbol für das Element Wasser der Ostsee und ein grell gelber Ball steht für die Bernsteinschätze der Region. Auf der Oktober-Insel wurde speziell für die Meisterschaft ein Stadion für 35 Tausend Zuschauer errichtet. Diese Sportarena wurde rekordverdächtig in nur zwei Jahren gebaut. Aufgrund eines Planungsproblems begann man hier mit dem Bau später als in den anderen Städten Russlands, wo die Meisterschaft ausgetragen wird. Bevor dieses Stadion fertiggestellt war, spielte der lokale Fußballklub «Baltika» im gleichnamigen Stadion, das bereits seit 1892 existiert und als die älteste Fußballarena Russlands gilt!

Kaliningrad ist eine besondere Stadt mit einem ungewöhnlichen Schicksal. Man muss wegen des baltischen Winds und der baltischen Luft hierherkommen, wegen der bizarren Mischung an Architekturstilen, sowie wegen der Inseln und Brücken. Diese ruhige Provinz, die sich 35 km entfernt von der polnischen Grenze befindet, wird jeden mit ihrer Geschichte und ihrem Mut begeistern.

Wie zu erreichen

Man erreicht Kaliningrad in zwei Stunden Flug von Moskau. Linienfluge verbinden Kaliningrad mit Moskau, St. Petersburg, Taschkent, Minsk und Tscherepowez. Vor kurzem begann man Flüge von Kaliningrad nach Warschau und Danzig anzubieten. Zum Südbahnhof kommen Züge von Moskau, St. Petersburg, Adler und Tscheljabinsk an. Wenn man ein Schengen Visum besitzt, kann man von Kaliningrad leicht nach Weißrussland, in die Ukraine, in die Baltischen Staaten, nach Polen, Tschechien und Deutschland mit dem Bus gelangen.

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