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Susdal — das altrussische Hollywood am «Goldenen Ring»

Susdal ist eine einzigartige Stadt, die einem Freilichtmuseum gleicht. Man kommt hierher, um den wunderbar erhaltenen Kreml aus dem 16. Jahrhundert, mittelalterliche Klöster, zahlreiche Kirchen und Kaufmannshäuser aus dem 13. bis hin zum 19. Jahrhundert zu bestaunen. Die ältesten Meisterwerke der Susdaler Bauweise, die von weißem Werkstein geprägt war, gehören auf die Liste des UNESCO-Welterbes. Susdal gilt als Geburtsstätte der Idee des «Goldenen Rings» — einer touristischen Route über alte Städte der nordöstlichen Rus, die der Journalist Jurij Bytschkow 1967 konzipiert hatte. Übrigens ist Susdal nicht nur bei Touristen sehr populär. Es erfreut sich einer großen Beliebtheit unter Filmemachern, für die die Straßen der Stadt einem fertigen Bühnenbild für historische Filme gleichen.

Zum ersten Mal wurde Susdal 1024 in den Chroniken erwähnt. Der Bau des Krems von Susdal begann im 11. Jahrhundert. Die Festungsmauern umgaben damals einen 30 Meter tiefen Graben und hohe Wälle, die teilweise bis heute erhalten sind. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts steht auf dem Territorium des Kremls die Mariä-Geburts-Kathedrale. Die Stadt blühte im 12. Jahrhundert, in der Regierungszeit Juri Dolgorukis, vollends auf. Dieser hatte seine Residenz in vier Kilometern Entfernung von der Stadt, in der Siedlung Kidekscha gegründet. Seit 1125 war Susdal die Hauptstadt des Fürstentums. In Kidekschi steht auch heute noch die Boris-und-Gleb-Kirche mit Wandmalereien aus dem 12. Jahrhundert. Der Sohn und Nachfolger von Juri Dolgoruki, Fürst Andrei Bogoljubski, machte die Stadt Wladimir am Fluss Kljasma zur Hauptstadt des Großfürstentums Wladimir. Und Susdal büßte für immer seinen hohen Status ein, obwohl es nach wie vor von den Fürsten besonders beachtet wurde. Der Fürst von Wladimir, Wsewolod Bolshoje Gnesdo (dt. das Große Nest), der nach Andrei Bogoljubski regierte, stiftete in Susdal drei Klöster. Eins davon kann man auch heute noch besichtigen. Dies ist das Mariä-Gewandniederlegungs-Frauenkloster, obwohl sein ältester, erhalten gebliebener Bau bereits aus dem 16. Jahrhundert stammt. Auf dem Grundstück dieser Stätte befindet sich der höchste Glockenturm der Stadt, von dem sich ein wunderschöner Ausblick auf die Umgebung erschließt.

Im 13. Jahrhundert entstand zwischen Susdal und Kidekscha das Wassili-Kloster. In den Gärten dieses Klosters züchteten die Mönche eine eigene Beerensorte — «Wasiljewskaja Kirsche». Dies ist eine einzigartige Kirschsorte mit großen, süßlichen und aromatischen Früchten. Sie ließen sich schlecht lagern und transportieren und waren ausschließlich für die obersten Gesellschaftsschichten vorgesehen. Deshalb wurden sie «zarskije» genannt.

In Susdal ist auch die Tradition der Zubereitung von einem ganz besonderen Getränk erhalten worden — von Medowucha. Es wird auf der Grundlage von Honig und Hefe hergestellt und ist 5-16% stark. Medowucha ist bereits im 11. Jahrhundert in Susdal gebraut worden! Im Verkostungssaal der Susdaler Honigbrauerei kann dieses Getränk mit Zugabe von Wacholder, Minze, Ingwer, Zimt, Nelke, Pfeffer, Hagebutte oder Kieferknospen probiert werden.

Wenn man von Essen spricht, so ist der beste Zeitpunkt, um auf den Geschmack der hiesigen Kochtraditionen zu kommen, Mitte September. Um diese Zeit wird in der Stadt das Medowucha-Fest veranstaltet — ein Feinschmecker-Fest unter der Teilnahme der besten Restaurants aus der Oblast Wladimir. So wird auf diesem Fest zum Beispiel das pikante Fleisch auf Susdaler Art zubereitet — mit Möhren, Zwiebeln und Meerrettich im Topf geschmort und einem Deckelchen aus Teig versehen. Vermutlich soll man in Susdal damit begonnen haben, Meerrettich zum Essen dazuzugeben. Das war insofern außergewöhnlich, als Meerrettich bisher ausschließlich als eine Arzneipflanze gegolten hatte. Die hiesige Meerrettichsorte wird auch dazu benutzt, um eingelegten Gurken Schärfe zu verleihen. Am dritten Samstag im Juli wird im Museum für Holzarchitektur gegenüber dem Kreml «Der Tag der Gurke» durchgeführt. Im Rahmen dieses Festes marschieren Gurkenfans durch die Straßen, also all diejenigen aus Susdal, die selbst Gurken züchten; Es finden Verkostungen von gesalzenen, gebratenen, gedämpften Gurken statt, sowie von Gurkenkuchen, Marmelade und Suppen.

Falls die Gurke allerdings vor noch gar nicht so langer Zeit zum Symbol der Stadt geworden ist, so beläuft sich die Bekanntheit Susdals als orthodoxes Zentrum bereits auf mehrere Jahrhunderte. Im 17. Jahrhundert gab es in der Stadt bereits 11 Klöster. Die ältesten unter ihnen sind das Erlöser-Euthymios-Kloster und das Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kloster aus dem 14. Jahrhundert. Die gewaltigen 1,5 km langen Mauern aus Ziegelstein, die dem Erlöser-Euthymios-Kloster gehören, waren durchaus mit den Mauern des Moskauer Kremls vergleichbar. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden allein auf dem Handelsplatz sechs Kirchen errichtet! Aber zum Ende des 18. Jahhunderts hin übersiedelte der Metropolit nach Wladimir und der Kirchenbau hielt an. Von den Wohnbauten aus der Zeit zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert ist in Susdal das Haus des Stadtverwalters (Posadnik) erhalten. Dieses Gebäude mit zwei Dächern sieht aus wie ein traditioneller Holzbau (Izba), ist allerdings aus Stein errichtet.

Im 19. Jahrhundert wurde Susdal zu einem lebhaften Zentrum auf dem Handelsweg zwischen den Südregionen Russlands und St. Petersburg. 1881 wurde auf dem zentralen Platz ein Kaufhaus (Gostiny Dwor, dt. Gasthof) mit einer Galerie im Empire-Stil erbaut. Jeden September wurde er für eine Woche zum Treffpunkt unter Kaufleuten, die zum Efrosinja-Markt herkamen, der der heiligen Efrosinja Susdalskaja, einer Nonne des Mariä-Gewandniederlegungs-Klosters, zu Ehren genannt worden war. Dieser Markt war das Hauptereignis im Leben des alten Susdals und ging die ganze Woche. Den Markt gibt es immer noch, allerdings dauert er nur einen Tag. Hier kann man lokale Produkte und Souvenirs kaufen, auf Konzerte gehen und an Wettkämpfen teilnehmen.

Die Susdal bis heute eigene Atmosphäre einer mittelalterlichen Stadt überzeugte 1962 den bekannten Regisseur Sergej Bondartschuk, der auf der Suche nach einem Drehort für die Verfilmung des Romans von Leo Tolstoj «Krieg und Frieden» war. Im Nachhinein sind viele andere Filmemacher seinem Beispiel gefolgt. Später drehte man auf den Straßen der Stadt «Metel» (dt. Schneesturm) nach einem Stück von Alexander Puschkin. Im Jahr 1965 hatte der herausragende Regisseur und Drehbuchautor Andrej Tarkowskij seinen Film über den bekannten russischen Ikonenmaler «Andrei Rubljow» hier gemacht. In den 1980-ern war hier eine Hollywood-Besetzung am Start: Die Schauspieler Maximilian Shell, Omar Sharif und Vanessa Redgrave spielten hier in der Serie «Peter der Große» im Auftrag des Senders NBC. Insgesamt sind in Susdal über fünfzig Filme entstanden! Und 2001 wurde die Stadt zum Austragungsort des Russischen Festivals für Animation — dem größten Schauplatz für Zeichentrickfilme russlandweit. Der prestigeträchtige Wettbewerb findet jedes Jahr Mitte März statt.

Während der Festlichkeiten zu Masleniza (dt. Butterwoche) im Februar wird in Susdal ein Wettkampf im Schnellessen von Pfannkuchen veranstaltet; Die Besucher werden auch durch Kämpfe zwischen Gänsen einer besonderen Art unterhalten. Die Tradition der Gänsekämpfe ist schon über 200 Jahre alt! Anfang Juli findet in Susdal eines der größten militärisch-historischen Festivals «Das altertümliche Susdal» statt. Seine Teilnehmer führen ein Reenactment von einer der Schlachten zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert durch, veranstalten Reitturniere, führen mittelalterliche Kostüme und Rüstungen vor, bringen Besuchern Bogenschießen, Speerwerfen, Tänze und das Kochen von alten traditionellen Gerichten bei. Auf dem Markt werden Kleidung, Haushalsgegenstände, Schmuck und Rüstungselemente angeboten. Ende Juli kehrt Susdal mit dem Blues-Bike Festival in die Gegenwart zurück. Das 2009 gestartete Festival der Blues-Musiker und Biker zieht zahlreiche Besucher in die Stadt. Und am ersten Sonntag im August wird der Stadtgeburtstag gefeiert. Am 19. August findet im Laufe des Volksfestes Jablotschnyj Spas (zeitgleich mit der Feier der Christi Verklärung) im Erlöser-Euthymios-Kloster ein Festival des russischen Volksinstruments Gusli statt, auf das das Russische Festival der Geistlichen Musik und des Glockengeläuts folgt, zu dem die besten Glöckner aus dem ganzen Land anreisen.

Susdal ist nach wie vor dabei, sein historisches Erbe zu erkunden, und bietet seinen Gästen eine vielfältige Unterhaltung in der authentischen Umgebung einer altrussischen Stadt zum Besten.

Wie zu erreichen

Die Entfernung zwischen Moskau und Susdal beläuft sich auf etwas mehr als 200 Kilometer. Mit dem Auto kann die Stadt in drei Stunden erreicht werden; Mit der Bahn kann man in 1,4 Stunden Wladimir erreichen und von dort aus mit dem Bus in einer Stunde nach Susdal kommen. Der Weg mit dem Bus von Moskau aus nimmt etwa fünf Stunden in Anspruch.

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